Interview mit dem Label Schnittliebe

Wer bist du und was macht dein Label „Schnittliebe“ aus?

Hi, ich bin Annika. Ich bin gelernte Modeschneiderin und Schnitttechnikerin und habe 2018 mein eigenes Schnittmuster-Label Schnittliebe gegründet und kurz darauf auch den Online Nähkurs. Bei Schnittliebe biete ich zeitlose feminine Schnittmuster mit dem gewissen Etwas an. Mein Ziel ist es, dass die selbstgenähten Kleidungsstücke zu absoluten Lieblingsstücken im Kleiderschrank werden.

 

Wie bist du auf die Idee gekommen, dein eigenes Schnittlabel zu gründen?

Ehrlich gesagt hat mich eine liebe Freundin erst auf die Idee gebracht. Sie näht auch schon seit Jahren ihre eigene Kleidung und hat mir damals zum ersten Mal von digitalen Schnittmustern erzählt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für mich nur Schnittmuster aus den bekannten Magazinen und ich war total überwältigt von dieser „neuen Welt“ die sie mir da eröffnet hat. Echt verrückt und wenn ich daran denke muss ich ziemlich über mich selbst lachen. Bis dahin hatte ich kaum Kleidung für mich genäht und arbeitete als Schnitt-Direktrice für eine Firma, die Sportbekleidung herstellt. Neben meinen Ausbildungen und der Berufserfahrung hatte ich also eigentlich alles, was es brauchte, um Schnittmuster zu erstellen und online anzubieten. Es hat dann trotzdem noch ein paar Monate und einiges an Überwindung gekostet, bis ich dann mein erstes Schnittmuster veröffentlicht habe, aber seitdem kann ich mir kaum noch etwas anderes vorstellen. Ich liebe und lebe einfach diesen Schaffensprozess von einer Idee, die man im Kopf hat, bis hin zum tragbaren Kleidungsstück. Wenn man in der Modebranche arbeitet erschafft oder begleitet man immer nur einen kleinen Teil vom gesamten Prozess. Daher finde ich es so toll, dass ich bei meinem eigenen Label von Anfang bis Ende alles selbst erschaffen und alle meine Fähigkeiten einsetzen kann.

 

Was nähst du am liebsten?

Ich nähe am liebsten mit Webware und gern auch hin und wieder mal ein aufwändiges Projekt. Während meiner Ausbildung und auch in der Zeit danach habe ich viele Blazer und Jacken genäht und dabei den Prozess beim Nähen sehr lieben gelernt. Ich kann stundenlang an meiner Nähmaschine sitzen und an einem Projekt arbeiten. Andere macht sowas wahnsinnig und ihnen fehlt die Geduld dafür, aber für mich gibt es nichts besseres als sich Zeit zu lassen beim Nähen und viel wert auf eine schöne Verarbeitung zu legen. Da bin ich ein richtiger Näh-Nerd. Aber ich muss dazu sagen, dass mein Job aus sehr viel Arbeit am Computer besteht und ich nur sehr wenig Zeit an der Nähmaschine verbringe. Auch wenn man sich vorstellt, dass man als Schnittmuster-Designer bestimmt den ganzen Tag an der Nähmaschine verbringt (ich wünschte auch manchmal es wäre so), sieht die Realität eher anders aus. Es fallen noch ganz viele andere Aufgaben an, aber dazu komme ich gleich noch etwas ausführlicher.

 

Was war deine größte Panne im Berufsleben?

Puh, das ist echt schwierig zu sagen. Eine richtige Panne fällt mir nicht ein, aber es gab mal einen Punkt, an dem ich meine Berufswahl komplett in Frage gestellt habe. Nachdem ich meine Ausbildung abgeschlossen und ein Jahr Berufserfahrung gesammelt hatte, war ich für ein 6- monatiges Praktikum in Australien. Daraus wurden dann 1,5 Jahre und ich bin sehr viel gereist, bis ich wieder zurück nach Deutschland gekommen bin, um in Düsseldorf meine Weiterbildung zur Schnitttechnikerin zu absolvieren. Zu der Zeit habe ich dann sehr gezweifelt, ob die Modebranche und mein Beruf wirklich das Richtige für mich sind. Mein Wunsch war es noch mehr zu Reisen und am liebsten ortsunabhängig arbeiten zu können. Daraufhin machte ich ein Praktikum im Social Media Marketing und bespielte regelmäßig die Kanäle von einem Start Up. Nach sechs Monaten bin ich dann nochmal nach Australien gereist und habe von dort aus für die Firma gearbeitet. Aber der Job hat mich überhaupt nicht erfüllt und von da an war mir klar, dass ich schnellstmöglich wieder zurück an meine Nähmaschine möchte. Wie gut funktioniert der der Zuschnitt mit Pattarina? Vielleicht kurz vorweg eine kleine Erklärung was Pattarina überhaupt ist. Pattarina ist eine App mit der man mit Hilfe von Augmented Reality Schnittmuster von dem Handy auf den Stoff übertragen kann. Dadurch spart man sich ein Papierschnittmuster bzw. auch das lästige Zusammenkleben und Ausschneiden von A4 Schnittmustern. Ich biete die meisten meiner Schnittmuster mit einem QR-Code für die Pattarina App an. So kann man selbst entscheiden, ob man lieber klassisch mit Papier oder mit der App das Schnittmuster übertragen möchte. Ich finde, dass das Übertragen mit Pattarina sehr gut funktioniert. Am Anfang ist die Handhabung erstmal sehr ungewohnt und neu, aber man hat recht schnell den Dreh raus und dann klappt es echt gut. Natürlich kann man die App nicht mit dem Schnittmuster auf Papier vergleichen und stößt sicherlich auch mal an Grenzen. Vor allem, wenn es um individuelle Anpassungen am Schnitt geht. Für einfache Schnittmuster kann ich es aber absolut empfehlen, oder wenn man weiß, dass der Schnitt gut passt.

 

Was sind deine größten Talente?

Hui, das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, dass ich eine schnelle Auffassungsgabe habe und auch komplizierte Sachverhalte gut verstehe. Außerdem habe ich ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, was bei der Erstellung von Schnittmuster sehr hilfreich ist. Und ich glaube ich habe ein gutes Gefühl für Farben und Farb-Kombinationen.

 

Warum hast du dich für Mode entschieden?

Schon als Kind und später als Teenager habe ich mich unglaublich gern mit Mode und Kleidung befasst. Hinzu kam, dass meine Oma früher sehr viel Zeit an der Nähmaschine verbracht hat und ich ihr dabei immer ganz fasziniert über die Schulter geschaut habe. So richtig gepackt hat es mich dann aber erst zum Ende der Schulzeit, als ich einen Nähkurs belegt habe und von da an fast nicht mehr von der Nähmaschine weg zu bekommen war. Ich wollte einfach alles über das Nähen von Kleidung erfahren und entschied mich für eine Ausbildung zur Modeschneiderin. Und so nahm das Ganze dann seinen Lauf. Die Faszination für Mode besteht auch heute noch und ich liebe einfach den Prozess mit meinen eigenen Händen etwas zu erschaffen, was vorher nur als Idee in meinem Kopf existierte.

 

Was ist das ist Schwierigste bei der Schnitterstellung?

Eine Sache, die ich persönlich am schwierigsten finde ist zu erklären wie aufwändig und zeitintensiv die Erstellung eines Schnittmusters samt Anleitung ist. Als Kunde sieht man natürlich nur das Ergebnis und freut sich, wenn man ein neues Kleidungsstück damit nähen kann. Als Schnittmuster-Designer*in fängt das ganze ja erstmal mit dem Designprozess, einer Recherche oder einer Inspiration für ein Schnittmuster an. Dann muss ein geeignetes Material gefunden werden, es wird der Erst-Schnitt erstellt und ein erster Prototyp angefertigt. In den seltensten Fällen passt dieser auf Anhieb und somit folgen meist noch ein zweiter, vielleicht sogar dritter Prototyp (manchmal auch ein vierter und fünfter). Dann muss jeder Schritt für die Anleitung dokumentiert werden. In meinem Fall mache ich beim Nähen also nach jedem Schritt ein Foto. Diese Fotos müssen dann noch bearbeitet werden. Die Anleitung wird geschrieben, mit Fotos gefüllt und in ein schönes Layout gebracht. Außerdem muss das Schnittmuster gradiert werden, das heißt für alle Größen vergrößert bzw. verkleinert werden. Auch das Schnittmuster muss „gelayoutet“ werden und in zwei Formate (A0 und A4) angepasst werden. Dann wird ein Schnittmuster oft von einem kleinen Team erstmal zur Probe genäht, um nochmal zu schauen, ob alles passt in allen Größen und ob die Anleitung verständlich ist. Es folgen also eventuell noch Änderungen am Schnitt und/oder der Anleitung. Dann werden Fotos vom fertigen Produkt gemacht und eventuell die Fotos vom Probenähen in einem Lookbook präsentiert. Und dann kann das Schnittmuster endlich online gehen. Den technischen Part mit Hochladen im Onlineshop oder auf Plattformen lasse ich jetzt mal weg. Also man merkt vielleicht an dieser Kurzfassung, dass es viele viele Arbeitsstunden in Anspruch nimmt, bis ein neues Schnittmuster samt Anleitung entwickelt und erstellt ist. Und diese Kommunikation finde ich ehrlich gesagt am schwierigsten. Vor allem auch, wenn es um den Preis für ein Schnittmuster geht. Das führt jetzt vielleicht ein bisschen zu weit, aber mir liegt das Thema wirklich sehr am Herzen und ich möchte, dass es mehr Aufmerksamkeit bekommt. Als „Indie-Label“ geht man mit der Erstellung eines Schnittmusters extrem in Vorleistung, was Kosten und Arbeitszeit angeht. Um diese Kosten wieder zu erwirtschaften muss man das Schnittmuster erstmal sehr, sehr oft verkaufen und erst danach, wenn die Kosten und geleisteten Arbeitsstunden „wieder drin“ sind, verdient man eigentlich erst etwas. Daher finde ich es immer schade, wenn Leute sagen, dass ihnen 8 oder 10 € für ein Schnittmuster zu teuer sind, ohne zu sehen oder zu verstehen, wie viel Arbeit eigentlich darin steckt. Was sind deine Pläne für die Zukunft? Da gibt es sehr viele. Neben meinem Schnittmuster-Label habe ich mit meiner Schnitt-Kollegin Lisa den Online Nähkurs gegründet. Für den Kurs wünsche ich mir, dass wir noch ganz vielen Nähanfänger das Nähen beibringen und sie für’s Kleidung nähen begeistern können. Für Schnittliebe wünsche ich mir viele weitere zeitlose und feminine Schnittmuster mit denen so viele Frauen wie möglich ihre Lieblingskleidung selbst nähen können. Ein „geheimer“ Wunsch von mir ist es irgendwann mal eine gemeinnützige Organisation zu gründen, die Frauen in Entwicklungsländern das Nähen beibringt, wodurch sie sich ihr eigenes Einkommen generieren können. Ich glaube das liegt noch in weiter Ferne, aber wer weiß. Ich freue mich jedenfalls auf alles was noch so kommt.

 

Mehr Infos gibt´s hier: https://schnitt-liebe.de/

 
 
 
 

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